Freiarbeit

"Die freie Wahl war das erste der Vorrechte in meinem Erziehungskonzept. … Wenn man sie (d.h. die Kinder) von Interventionen und Beschränkungen befreit, die ihnen von Älteren voll guter Absicht auferlegt werden, so zeigen sie statt der Anarchie, die man erwarten würde, ein Benehmen, das dem zu entsprechen erscheint, was man wirklich als ein göttliches Gesetz bezeichnen könnte."      Maria Montessori

Die Freiarbeit ist die zentrale Unterrichtsform in der Montessori-Pädagogik. Aus der Erkenntnis, dass sich die kindliche Entwicklung nach für Erzieherinnen und Erzieher nicht immer erkennbaren individuellen Gesetzmäßigkeiten vollzieht, fordert Montessori die Schaffung eines Entwicklungsfreiraumes innerhalb einer strukturierten „vorbereiteten Umgebung“. Ihr Ziel bestand in der Konzeption schulischer Strukturen, die die „freie Entfaltung der kindlichen Aktivität ermöglichen“ (Montessori 2001, 12), in denen „die Entwicklung spontaner Äußerungen und individueller Lebhaftigkeit des Kindes gestattet sind“ (ebd., 23).

 

In der Freiarbeit können Schüler*innen aus einem differenzierten Lernangebot den Gegenstand seiner Tätigkeit, die Ziele, die Sozialform sowie die Zeit, die er auf den gewählten Aufgabenbereich verwenden will, im Rahmen der „vorbereiteten Umgebung“ selbst bestimmen. Das bedeutet, dass die Kinder auf unterschiedlichen Niveaus lernen. Während das eine Kind sich beispielsweise die ersten Buchstaben erarbeitet, schreibt das andere bereits Geschichten und liest Bücher.

 

Freie Entwicklung unterstützt die Ausbildung einer Persönlichkeit, die sich durch Eigenständigkeit, Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Ich-Stärke, Zuversicht und Selbstannahme auszeichnet. Montessori stellt auch die Auswirkungen auf das schulische Lernverhalten, das Entstehen von echtem Interesse und die Fähigkeit zu konzentrierter Arbeit heraus:

 

„Durch die Atmosphäre der Ruhe und durch das Gefühl, dass kein anderer Wille es führen und unterdrücken will, durch die Freiheit, die man ihm lässt, erwacht im Kind wieder eine spontane Aktivität, und es fängt an, freudig und konzentriert zu arbeiten (...) der Geist, dem Konzentrationsmöglichkeit fehlte und der umherirrte, ordnet sich und beginnt eine wunderbare Entwicklung“ (Montessori 1985, 24).

 

Ziel der Freiarbeit ist es, die Freude des Kindes an der Arbeit zu bewahren und ihm Wege zu eröffnen, wie es selbstständig lernen kann. Dazu gehört, dass es gelernt hat durchzuhalten und eine einmal begonnene Arbeit zu Ende zu führen. Ein Kind, das diese Fähigkeit erworben hat, wird sich später auch viele andere Wissensgebiete eigenständig erschließen können. 

Freiheit in der Montessori-Pädagogik meint nicht willkürliches Handeln der Schüler*innen.

 

„Freiheit bedeutet nicht, dass man tut, was man will, sondern Meister seiner selbst zu sein“ (Montessori 1985, 23).

 

Es gibt Kinder, die die freie Eigenaktivität in der Schule erst lernen müssen. Das Lehrpersonal unterstützt diesen Lernprozess, indem sie die Kinder schrittweise an die Freiarbeit heranführt. Es greift so lange lenkend in den Lernprozess ein, bis das Kind in der freien Arbeit zu wirklicher Konzentration gelangt.  Auch nachdem ein Kind gelernt hat, die ihm gewährte Freiheit angemessen zu gestalten, macht es in der Montessori-Pädagogik nicht einfach, was es will. Das Kind muss sich an gemeinsam vereinbarte Regeln und Grenzen halten. Es ist an die Strukturen der „vorbereiteten Umgebung“, die Eigengesetzlichkeiten des Arbeitsgegenstandes und an die Lerngruppe gebunden.